SCHIBIG BILDHAUER   CH-6422 Steinen Switzerland

HOLZSCHNITZER, HOLZBILDHAUER, VERGOLDER, RESTAURATOR

WOOD-CARVING, SCULPTURE IN WOOD, GILDING, RESTORATION

 Ja, die Arbeitszeit wurde sehr genau kontrolliert, und man verstand darunter nicht nur „Präsenzzeit“, sondern effektiv fleissige Arbeit. Pfeifen und Singen waren ebenso verboten wie Privatdiskussionen. Die Werkstatt hatte grosse Fenster, hinausschauen konnte man aber nur sehr beschränkt, weil die Scheiben weiss gestrichen waren. So wurde der wöchentliche Tag an der Gewerbeschule fast wie ein Feiertag, obwohl auch dort kein Schlendrian geduldet wurde.

Etwa ab dem zweiten Lehrjahr besuchte Seppi zusammen mit den Oberstiften an einem Abend pro Woche den Zeichenunterricht an der Kunstgewerbeschule Luzern, ein lieber Brauch, den er auch nach der Lehre noch viele Jahre weiterführte. Nach einer Vorprüfung wurde man in Kurse zum Zeichnen von Gips- und anderen Modellen eingeteilt, später zum Figuren- und Aktzeichnen. Wir hatten als Lehrer z.B. Werner Andermatt, eine so starke Persönlichkeit, dass bei ihm sämtliche Schüler im Andermatt-Stil zeichneten  - oder es wenigstens versuchten, ohne dass er auch nur ein Wort zu sagen brauchte, und ohne dass sie es selber realisierten. Als Gegensatz dazu war Herr Netzer total zurückhaltend und unauffällig; es scheint, dass er deswegen leider auch im Kunstleben von Luzern keine Spur zurückgelassen hat. Dabei war auch er ein Spitzenkönner. Wenn der Schüler etwa mit einer komplizierten Stellung des Aktmodells kämpfte, konnte Netzer, die Liebenswürdigkeit selber, den Bleistift zur Hand nehmen, diesen mit der Spitze flach auf dem Blatt führen und den Umriss der Figur ohne abzusetzen in einem Strich festlegen.

In der Lehrwerkstatt wurden aber beileibe nicht nur Weihwasserbecken geschnitzt. Es gab auch – in kleinen Serien -  eine ganze Auswahl Kruzifixe in verschieden Formen und Grössen, Reliefkreuze, Statuen von Maria und Bruder Klaus. Hier gehörte auch das Zuschneiden, maschinelle Vorarbeiten wie das Bohren auf der Kopiermaschine dazu.

Eher als Einzelstücke: Masken für die umliegenden Fasnachtsgesellschaften, gegen Ende der Lehre auch recht grosse Einzelfiguren, die der Lehrling nach und nach sogar ganz selbständig entwerfen, modellieren, verleimen und schnitzen durfte, inkl. Oberflächenbehandlung. Laufend gab es auch ornamentale Füllungen, Wappen usw. für die in der dazugehörenden Schreinerei gebauten Bauernbüffets, Schragentische, Stabellen etc. zu schnitzen.

Bei den Möbeln war damals der sogenannte „Heimatstil“ üblich. Man lächelt heute süffisant darüber. Man kann sich aber doch fragen, ob wohl so sehr viel mehr hinter den heutigen „modernen“ Kreationen aus Platten, Lack, Glas, Kunststoff und Chromstahl steckt, die jetzt auch schon wieder seit Jahrzehnten den Markt überschwemmen? Die krankhafte Sucht der „Designer“ nach Neuerung (echte Möbelzeichner oder Entwerfer sind anscheinend längst ausgestorben) erzeugt dabei  - im Rückblick  - doch überwiegend langweilige und oft kaum gebrauchsfähige Kisten.

Zum Thema „Moderne Möbel“ schrieb ich 2005 schon mal einen Artikel für die NACHRICHTEN VSHB: „Ein Mitglied sandte uns ein faszinierendes Buch zum Thema. Es ist von der ersten bis zur letzten Seite voll wunderbarer Bildern von Möbeln und Innenausbauten, buchstäblich kein einziges Beispiel ohne Schnitzerei. Es ist ganz offensichtlich die Quintessenz aller Träume der Schreiner, das was sie wirklich und eigentlich schaffen möchten, nämlich wunderbar reich verzierte Gegenstände aus massivem Holz.

Wie bitte: sie (und wir) träumen also nicht etwa von „modernem Design“ aus Platten, Lack, Glas, Chromstahl, Kunststoff, einmal so herum gekrümmt und einmal anders herum? Anscheinend nicht!

Handeln wir also sämtlich ENTGEGEN unseren Träumen? Es macht ganz den Anschein. Wie kommt das?

Mit einigem Nachdenken kommen wir der Sache auf die Spur. Vorweg genommen: Ursache ist die seit etwa 100 Jahren geradezu krankhafte individualistische Sucht nach Neuem, nach so genannt Modernem. Diese Geisteskrankheit verunmöglicht auf dem Gebiet der Kunst jedes organische Wachstum, jede gesunde Weiterentwicklung. Hat nämlich ein Künstler irgend eine faszinierende Trouvaille gemacht (ich sage vorsichtshalber nicht „etwas Schönes geschaffen“, weil dies ja ohnehin absolut verpönt ist . . .), so ist damit dem ganzen Rest der Welt, ja sogar dem Künstler selber automatisch streng verboten, in derselben Richtung weiter zu suchen und zu forschen, denn das wäre ja das allerschlimmste Verbrechen, Epigonentum, der Revolution abschwören zugunsten der Evolution. Resultat: alle die Hunderttausende von „Künstlern“ auf der Welt verpflichten sich selber strengstens, im Gleichschritt als „Avantgarde“ zu marschieren, mit dem einzigen Ziel: nicht zu wissen wohin. Nur merken sie es nicht. Kann mir jemand sagen, wozu z.B. all die unsäglichen

sculptor-Rundschreiben 3

Materialhäufelein gut sein sollen, die weltweit in jedem „Öffentlichen Raum“, der etwas auf sich hält, aufgeschichtet und mit esoterischem Geschwätz verklärt werden?

Nun, sie marschieren halt gerne so in der Masse und finden sich selber originell, modern und innovativ. Dementsprechend sieht die Gegenwart anfangs des 21. Jahrhunderts aus der Sicht des Holzbildhauers aus: Ödnis.

Doch gemach: ein Pendel kann nicht stets in die gleiche Richtung schwingen.“

 

Die Ornamente für die oben erwähnten Nussbaum-„Bauernmöbel“ wurden meist in sehr flachem Relief geschnitzt. Man legte grossen Wert auf absolut sauberen Schnitt. Das bedingte, dass der Schnitzer seine Eisen kräftig wie ein Schraubstock packen musste. Man war gar etwas stolz auf seine dicken Hornhautpolster an den Händen. Vielleicht so bis etwa 1950 auslaufend gab es noch Aufträge von Möbelfabriken für sogenannte Möbelauflagen: Ornamente, die vom Ornament-Holzbildhauer in grossen Serien hergestellt und in den Fabriken auf die Möbel geleimt wurden. Die Mode kam aus den Dreissigerjahren. Dabei war der Anspruch an extrem sauberen Schnitt dem bezahlten Preis diametral entgegengesetzt.

In der Werkstatt hatte man auch immer wieder den Schreinern beim Holzstapeln zu helfen; nebenbei handelte der Meister noch ein wenig mit Nussbaumholz. Nebst einigen sehr geschätzten Velo-Ausflügen zu den verkaufenden Bauern brachte dies Kenntnisse im Einschätzen von Holz am Stamm, allerdings gelegentlich auch zwei Wochen ununterbrochenes Holzbeigen. Kuchenmodel aus Birnbaumholz für Biber und Änisguetzli gehörten ebenfalls zum Repertoir (diese scheinen übrigens heute ein „revival“ zu erleben). Einfachere Drechslerarbeiten, wie etwa die üblichen Wappenteller, lernte man im trial-and-error-System - ohne fachmännische Anleitung - ausführen. Wie die Drehröhre richtig anzulegen sei, ergab sich recht schnell: mit groben Hackern oder gar in der Werkstatt herum fliegendem Werkzeug.

Auch sonst half man den Schreinern oft bei ihrer Arbeit. Recht heikel war das Kehlen der Abplattungen an Möbel-Füllungen. Die weit ausladenden Kehleisen brummten und heulten beim Anlassen wie Flugzeuge. Wir waren auch nie so ganz sicher, ob sie nicht auch noch selber das Fliegen probieren würden. Darum knieten der Schreiner und sein Helfer beim Starten der Kehlmaschine mit eingezogenem Kopf auf den Boden, horchten einen Moment, ob der Brummton des „Hegels“ Vertrauen erweckte und erhoben sich erst dann, um die Füllung sachte der Führung entlang zu stossen.

Oberflächenbehandlung hiess damals: nach dem Schnitzen – z.B von Möbelteilen - Schleifen, wässern, fein schleifen (besonders war darauf zu achten, dass keine Leimreste auf den Flächen verblieben, weil dies nachher das ohnehin heikle Beizen der Möbel noch erschweren würde); dann das sogenannte „Chemisch-Beizen“ mit Vor- und Nachbeize, wodurch ein natürlicheres Bild der Holzmaserung entstand als etwa mit der altbekannten Körnerbeize.

Ja, die Körnerbeize! Im ersten Lehrjahr rief einmal ein Schreiner beim Znüni dem Seffi zu, ob er auch einen Schluck Bier wolle, sonst leere man es aus. Der Junge hatte noch keinerlei Erfahrung mit solchen Getränken; mutig sagte er zu und tat einen

 

Fortsetzung von Nr. 2:

Wie gesagt, bei Reichmuth erfolgte die Ausbildung primär mittels kommerziell verwertbaren Arbeiten; die vom Lehrling darauf verwendete Zeit wurde anhand genau nachgeführter Rapporte kontrolliert – damals in einer Art Milchbüchlein. Man wurde jedoch ermuntert, die in der Bibliothek des Meisters befindlichen Bücher zu studieren und sich so in der Freizeit weiter zu bilden.

Unsere kleine Bibel war vorerst das Büchlein HOLZ­SCHNITZEN von C. dell’Antonio, welches auch heute noch eine gute Grundlage vermittelt. Es ist antiquarisch zu finden, siehe http://www.zvab.com. (Ein Tip: die erste Auflage hat mehr Bilder als die folgenden.) Vom gleichen Autor ist ebenfalls die „Verhältnislehre, Plastische Anatomie“ immer noch hilfreich, ebenfalls bei zvab.com.

Aber wir sind ja immer noch bei der Oberflächenbehandlung. Noch vor dem Beizen kam gelegentlich das Bleichen. So hatten wir einmal lindene Tafeln mit lebensgrossen Reliefs von trauernden Frauen zu schnitzen, für die Kirche St. Joseph des Fins in Annecy Frankreich. Diese Frauen – von Onkel Anton gezeichnet -  umgaben dort den vom Seppi entworfenen und geschnitzten lebensgrossen vollplastischen Leichnam Jesu. Wie so oft hatte nun aber die Linde auffällige dunkle Flecken, die sehr störten. Wir versuchten das mit Wasserstoffsuperoxid, Sauerkleesalz und wer weiss noch mit was Allem zu kurieren: der erfahrene Bildhauer wird das Resultat schon erahnen – bemühend gering. Der Liefertermin wurde so langsam knapp, also befahl der Meister, jetzt müsse das Zeugs gebeizt und fertig gemacht werden. Der Seffi erlaubte sich zwar die schüchterne Bemerkung, ob man nicht doch zuerst noch neutralisieren sollte? Nichts da! Es wurde also gebeizt, getrocknet, patiniert, mit Pinsel Cellulosegrundiert und lackiert. Das Resultat war nicht betörend, aber gerade noch so passabel. Der Pferdefuss liess jedoch nicht lange auf sich warten: über Nacht begann das Peroxyd sich wieder sachte und unübersehbar an die Oberfläche zu arbeiten, es bildete sich eine Menge hässlicher heller Flecken und immer mehr Flecken auf der mit so viel Herzblut entworfenen und geschnitzten Arbeit; Katastrophe!  Was tun?

 Vor allem hatten wir jetzt plötzlich  Zeit zum Überlegen, und dann Schritt um langsamen Schritt das Richtige zu tun: Lack mit viel Verdünner und Ablaugmittel entfernen, waschen, waschen, trocknen und erneut bleichen. Jetzt reichte die Zeit sogar zum gründlichen Neutralisieren und zum Herstellen von Probebrettchen. Dann erneut beizen, Farbton ausgleichen, patinieren und wiederum lackieren. Jetzt war das Aussehen akzeptabel. Ja, auch ein Herrgottsschnitzer macht gelegentlich seinen Leidensweg.

Die folgende Skizze zeigt den Onkel Anton, wie er einmal dem Schreiner Schorno, nachdem dieser bei einer Möbel-Plan-Besprechung sich zu äussern wagte: „Ich habe gedacht . . .“ lautstark ins Wort fiel und ausrief: „Etz wird einisch nid tänkt, etz wird einisch g’schaffet!“

(Wenn ich so verschiedene scheinbar nicht besonders schmeichelhafte  Anekdoten und Bemerkungen zum Lehrmeister festhalte, will ich ihn im Geiste um Entschuldigung bitten: keinesfalls will ich ihn anschwärzen! Ich stelle einfach fest, dass damals eine ganz und gar andere Auffassung von Arbeits- und Geschäftsmoral herrschte – ganz und gar nicht etwa nur schlechter als heute, wo bald alles erlaubt ist. Zu bedenken ist auch, dass damals in der Mitte des 20. Jahrhunderts das wirtschaftliche Umfeld unvergleichlich viel härter war als heute am Anfang des 21. Jahrhunderts. Und insgesamt bin ich dem Onkel sehr dankbar für seine Strenge! )

Auf dem aus der Erinnerung skizzierten Bildchen trägt der Onkel eine weisse Überwurfschürze. Bis nach dem 2. Weltkrieg war es bei den Bildhauern üblich, weisse Arbeitskleider zu tragen. Warum wohl? Versucht doch einmal, beim Schnitzen einer feinen Arbeit eine weisse Ärmelschürze anzuziehen (ein weisses Tuch über der Brust genügt für einen Versuch). Es ist frappierend, wie das weisse Tuch die dem Arbeitenden zugewandten Schattenlöcher auf dem Arbeitsstück aufhellt! Die Fotografen wissen es schon längst: mit einer weissen Fläche spiegeln sie Licht auf die Schattenseite des aufzunehmenden Objektes.

Tel +41 041 832 14 39 / Fax +41 041 832 14 57
E-Mail: Schibig@sculptor.ch / http://ww.sculptor.ch/

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kräftigen Zug ab der dargereichten Flasche. Das Zeug war etwas bitter, wie er es erwartet hatte – so weit reichten seine Kenntnisse schon. Da riss ihm aber der Schreiner ganz erschrocken die Flasche aus der Hand und stammelte: „Du Löli, das ist doch Körnerbeize!“ Nun, sehr giftig kann die Brühe nicht gewesen sein, wenn man das Resultat betrachtet.

Überhaupt gab es bei Reichmuth’s, wie sicher auch in anderen Werkstätten, zum Auflockern des strengen Betriebes immer wieder mehr oder weniger lustige Neckereien unter den Angestellten. Das Anschmieren der Hobelbankschlüssel mit Karrensalbe (Maschinenfett, auch Unschlitt war noch in Gebrauch) war recht harmlos. Neue unerfahrene Mitarbeiter wurden etwa dringend in die Schreinerei Trütsch geschickt, um dort den grossen Glashobel auszuleihen, oder in Triners Apotheke, um für 20 Rappen Ibidum zu posten. Beliebt war auch, oben auf eine leicht angelehnte Tür einen kleinen Wasserkessel (eventuell schlimmere Brühe . . .) oder einen Schlegel zu placieren, welche dann den Nächsteintretenden auf dem Kopf beglückten. Dieses Spiel hätte einmal unangenehme Konsequenzen haben können, ging aber glimpflich aus: wieder einmal hatte der Unterstift mit einem Stück Holz eine solche Falle gestellt. Anstatt dem erwarteten Oberstift kam aber der Meister raschen Schrittes die Treppe herab. Das Holz fiel dem Boss knapp hinter dem Kopf auf den Rücken. Ob er nur so tat oder ob er wirklich nicht checkte, was da vorgegangen war: auf jeden Fall gab er den Befehl, nun müsse das provisorische Zwischenwändchen sofort abmontiert werden. „das cheibe Züügs fällt ja auseinander.“

Ist es erlaubt, so unschuldigen Unsinn wie diese Müsterchen eigens schriftlich für die Nachwelt festzuhalten? Ich tue es halt einfach. Da waren doch noch mehrere Artikel, um welche man einen Neuling höchst dringlich ins Dorf senden konnte: etwa der runde Winkel, die Vorschusszange, eine Ersatzblase für die Wasserwaage, ein Augenmass, und um die neu vergoldeten Rahmen zu patinieren hundert Gramm Fliegenschiss aus der Apotheke.

 

Gründermitglied und Redaktor des VSHB Werner Dort aus Adliswil (1907 – 1992) erzählte gerne von seinem Aufenthalt als Holzbildhauer in Paris. Beim Abschied im grossen Atelier widerfuhr ihm folgendes: Er spendiert den Kollegen kurz vor der Abreise mit dem Zug in die Schweiz noch eine Runde in der Werkstatt. Als der letzte Moment zum Aufbruch kommt, will er mit Schwung seinen hölzernen Werkzeugkoffer aufnehmen und an die Schulter hängen. Nur macht die Kiste den Schwung nicht mit, bleiern bleibt sie am Boden. Er reisst mit grosser Kraft, und am Ende hat er den Tragriemen samt Seitenwänden in den Händen, leider ohne Boden und ohne Kisten-Inhalt. Jemand hatte während dem fröhlichen Gelage die Kiste am Werkstattboden angeleimt! Grosses Gelächter, aber dann auch grosse Hilfe von den Kollegen: in rasender Eile wird ein neuer Boden gezimmert und an den Koffer genagelt, so dass Werner den Zug nach Basel doch noch erwischt!