SCHIBIG BILDHAUER   CH-6422 Steinen Switzerland

HOLZSCHNITZER, HOLZBILDHAUER, VERGOLDER, RESTAURATOR

WOOD-CARVING, SCULPTURE IN WOOD, GILDING, RESTORATION

sculptor-Rundschreiben 4 b

Episoden aus dem Schnitzlerleben

Nun also wieder zurück in die Werkstatt von Anton Reichmuth in Schwyz, in die Lehrzeit von Seffi von 1945 bis 1949. Die Verpflichtung, den Drang zur Weiterbildung auch in der Freizeit habe ich schon erwähnt. Fachbücher studieren, zeichnen, modellieren, Gips giessen, auch Aufgaben für die Gewerbeschule, Abendkurse an der Kunstgewerbeschule Luzern: alles gehörte in die Freizeit, solange es nicht strikte und unmittelbar der Produktion des Lehrbetriebes diente.

Toni Bisig von Einsiedeln, mein Oberstift, war auch für Aktivitäten in dieser Hinsicht nicht auf den Kopf gefallen. Weil der Seffi aus Steinen kam, einem der wenigen Dörfer, welche noch ein uraltes Beinhaus mit hoch aufgeschichteten Schädeln und Knochen haben, kamen wir auf folgenden Gedanken: es müsste doch unserer künstlerischen Entwicklung, speziell den Anatomie-Studien sehr helfen, hätten wir einen echten Totenschädel als Modell zur Hand. Eines Abends machten wir uns also per Fahrrad auf nach Steinen. Den Trick zum Öffnen des Gittertores im Beinhaus kannte ich natürlich, als Dörfler, schon von zarten Kindsbeinen an. Wir stiegen also auf die Kirchenbänke und Toni, einen Kopf länger als ich, reichte mir mehrere Schädel einen um den anderen herunter. Ich legte sie nebeneinander auf die Kirchenbank, leider alle ohne Unterkiefer. Im flackernden Kerzenlicht begutachteten wir dann diese getrockneten Quintessenzen menschlicher Existenz, mit einer Mischung von Schauder, Abenteuerlust und künstlerischem Forscherdrang. Endlich fand sich ein Schädel, der dem kritischen Auge des Bisigätönel, späteren Kulturpreisträger des Kantons Schwyz  - was wir natürlich damals noch nicht ahnten, einigermassen standhielt. Die für diesmal leider nicht zum Zuge der Kulturförderung gekommenen Schädel wurden wieder zur  - mindestens vorläufigen  - Ruhe sanft auf den Stapel gebettet. Der Auserwählte trat seine Reise nach Schwyz an, auf den Velogepäckträger geklemmt. Dort kam er dann in der Waschküche der Meisterin  - welche natürlich deswegen nicht gefragt wurde  -  in den Genuss eines intensiven Bades mit heissem Schmierseifenwasser. Erst nach dem Trocknen und längeren Untersuchungen kamen wir drauf, was im Inneren des Schädels bei jeder Bewegung leise herumkullerte. Es war ein Kirschenstein. Wie war der wohl in das Denkergewölbe hinein geraten? Mit allem Suchen fanden wir nirgends eine Öffnung, wo wir ihn wieder heraus hätten klauben können. Der Tote muss wohl ein ganz besonders echter Steiner aus dem Chriesidorf gewesen sein! Und zum Abschluss: wir stellten den Schädel in unserm Dachzimmerchen auf, als stolzes Zeugnis unserer intensiven anatomischen und künstlerischen Studien. Allerdings wurden unsere Bemühungen nicht unmittelbar honoriert. Als Reichmuth‘s Dienstmädchen beim Anblick unserer Trophäe laut aufschrie und sich weigerte, hier weiterhin die Betten zu machen, waren wir gezwungen, den Schädel verschwinden zu lassen. Möglicherweise liegt er immer noch dort im Dachgebälk über dem ehemaligen Stiften-Schlag.

Die Preisgestaltung für unsere Holzbildhauer-Arbeiten war schon in der Lehre ständig ein wichtiges Thema, sowohl in der Werkstatt - hier ging es darum, ja nicht zu viel Zeit für die Arbeiten zu verwenden - wie auch in der Gewerbeschule, wo uns Lehrlingen genau wie den Schreinern die wichtigsten Grundlagen der Kalkulation beigebracht wurden. Das Kalkulieren, d.h. das Festlegen eines gerechten Preises für unsere Arbeit war mir damals und blieb ein Leben lang ein wichtiges Anliegen. Später verfasste ich dazu auch einen ausführlichen Kalkulations-Kurs, vornehmlich für den VSHB (diesen kann man bei mir beziehen). Bei der ersten Auflage von Meisterkursen konnte ich die Kandidaten nach diesem Kurs unterrichten; die Prüfung erfolgte dann allerdings nicht nach diesen Vorgaben, sondern nach dem damaligen System der Schnitzlerschule, das mit Verlaub zu vermerken, nicht einmal erlaubte, die Selbstkosten einer Arbeit zu nennen . . .

Werbung und Verkauf 

Wenn ich es mir richtig vergegenwärtige, so  existierte damals so etwas wie Werbung in unserem Handwerk überhaupt nicht. Wenn, dann hatten die grossen „Verleger“-Firmen in Oberammergau und im Südtirol - vielleicht auch in Brienz? - ihre Vertreter, welche die Papeterien und Kunsthandlungen abgrasten.  In der Schweiz gab es z.B. eine Firma Ulrich in Olten, welche neben anderen Devotionalien (= Andachtsgegenstände) auch Schnitzereien vertrieb. So etwas lag natürlich weit ausserhalb der Möglichkeiten eines Kleinbetriebes auf dem Lande.

Mein Lehrmeister verkaufte seine Holzbildhauer-Arbeiten grossenteils an private Kunden im näheren Umkreis. Damals waren die Leute mindestens äusserlich noch religiös (katholisch); fast in jedem Zimmer hing ein geschnitztes Kruzifix und ein Weihwasserbecken, in der Stube stand eine Marienstatue. Statuen des Heiligen Bruder Klaus waren sehr gesucht. Die gleichen Artikel, die wir dank einer eigenen „Schnitzmaschine“ in kleinen Serien einigermassen günstig herstellen konnten, wurden - schon damals nur sporadisch - auch an sogenannte Grossisten und an Ladengeschäfte geliefert. Der Grossist kaufte beim Handwerker ansehnliche Mengen der Schnitzereien  auf Lager ein; seine Vertreter besuchten einschlägige Verkaufsläden im ganzen Lande, welche die Werke an die Privaten weiter verkauften. Damit dabei alle existieren konnten, bedingte dies eine eingespielte Regelung von prozentualen Zuschlägen auf jeder Stufe. Dieses ganze komplizierte aber effiziente Geflecht von Verteilern - ab Werkstatt bis ins Haus des Endverbrauchers - ist wenigstens in unserer Branche gänzlich ausgestorben. 

Auch Vereine waren gute Kunden, Bäckereien für Kuchenmodel, Schreiner und Möbelfabriken für Möbelschnitzereien. Daneben führte Onkel Anton wie erwähnt eine Möbelschreinerei: Schragentische mit Schieferplatte, Stabellen, Bauernbüffets, fast alles aus Nussbaum und natürlich mit Schnitzereien.

Alles vorbei Tom Dooley?

Do not hang down your head, Tom Dooley!

Naivität des Jugendstiles? Wohl doch Ansichtssache!

Dieses Relief in Nussbaum habe ich vor Jahren von Joh. Pacholsky in Zürich erworben, zusammen mit einem alten Satz Schnitzlereisen, die alle mit CLOUX gezeichnet waren. Cloux hatte dem Vernehmen nach sein Atelier in Lausanne. Von Naivität keine Spur, eher von überspitzter Raffinesse, wenn gar nicht Dekadenz: ein Meisterwerk.

Zeichnen in der Kunstgewerbeschule Luzern:

Zuerst gab es eine Aufnahmeprüfung, an der man z.B. einen Putzhobel perspektivisch, nur mit Linien ohne Schattierung darzustellen hatte. Dann kam der Vorkurs; hier zeichnete man nach Holz- oder Gipsmodellen sowohl figürlich wie ornamental, auch Anatomie, sowie nach Werkzeugen und anderen Alltagsgegenständen. Erst dann kam das Figurenzeichnen und das Aktzeichnen nach lebenden Modellen; immer semesterweise ein Abend pro Woche.

Fortsetzung von 3b und  4

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