7 / An der GV vom März 1972 in Zürich wurde ein Entwurf zum Lehr- und Prüfungsreglement für Holzbildhauer (Figuristen und Ornamentiker) verabschiedet und beschlossen, diesen dem BIGA zu unterbreiten.
Ein Neumitglied aus der Ostschweiz - Name ist Schall und Rauch . - hat sofort sehr aktiv mitgemacht: er lancierte einen Wettbewerb, bei welchem 30 Fragen zu beantworten waren, mit Gewinnsumme von Fr. 50.-. Auch fand er bei einer Ausstellung in Zürich (Zitat) "beim Publikum aus aller Herren Länder mit seiner Arbeit grosses Interesse. Neben neuzeitlichen, ansprechenden Wandornamenten ist deutlich die Schnitzlerschule Brienz zu erkennen. Fohlen, Hirsch usw. aber auch die pfiffigen Bäuerlein und Weiblein schauen farbenfroh in die Welt. Aber auch elegante, geschnitzte Anhänger und Halsketten aus Edelholz fanden recht guten Anklang.“
Allerdings, wenn wir zwei Jahre voraus schauen, auf die GV mit Ausstellung in Lenk im Simmental, stellte sich heraus, dass ausser dem Namen des so gelobten Mannes noch weiteres nur Schall und Rauch war: er stellte ein bei einer renommierten Firma in Brienz gekauftes Werk, einen schönen Stier, als eigenes Kunstwerk aus. Das gab einen kleinen Eklat, der mit dem Ausschluss des Rauchverursachers aus dem Verband endete. Jahre später stellte sich heraus, dass im Leben des guten Mannes gewaltiger Schall und Rauch vielleicht eben gerade die Ursache seiner Schwierigkeiten waren: im Militärdienst war er von einem Handgranaten-Unfall betroffen gewesen, der möglicherweise seine Schläuchlein im Gehirn ein wenig durcheinander gebracht hatte, neben weiteren Verletzungen. Einmal mehr: richtet nicht!
Eine weitere Berühmtheit, diesmal echt, fand ihre Spur in den Nachrichten: der Weltmeister-Skiflieger Walter Steiner war bekanntlich von Beruf Holzbildhauer; 1972 hat er seine Lehrabschlussprüfung gemacht und dabei "ein vortreffliches Zeugnis seines Könnens in unserem edlen Handwerk abgelegt".
In Nr. 54/März 73 stürzte sich der Verband echt in Unkosten: 5 Kunstdruckblätter von eigenen Arbeiten der Mitglieder (Steiger Flawil, Rindlisbacher Lützelflüh, Sjursen Malans, Bisig Einsiedeln, Dort Adliswil, Trüb Freiburg, Gubler Weinfelden, Würmli Uster, Nauer Freienbach, Linder Lungern, Scheuber Kerns). Heute - 2007 - dürfte es ziemlich schwierig sein, eine solche Reihe von eigenen Arbeiten zusammen zu bringen! (Die Krippengruppe ist von Fritz Linder.)
Nr. 57 vom Juni 73: „Auf einer kleinen Schweizerreise beobachteten unsere Süddeutschen Kollegen ein nicht atypisches Beispiel von Werbung für das Holz. Im Schaufenster eines Holzschnitzers stand folgender Slogan: IN JEDES HAUS - EIN GESCHNITZTER BRUDER KLAUS. Gleich daneben standen zwei Bruder Klaus Statuen aus . . . Kunststoff! Dies erinnert unseren Kollegen Josef Schibig an jenen kühnen Aussteller an der Züspa, der seine Polyurethan-Abgüsse schriftlich als Holzreliefs anpries. Darüber zur Rede gestellt, verteidigte er sich vehement: "Also ich habe doch selber gesehen, wie der Masse Holzstaub beigemischt wurde“!
In der gleichen Ausgabe wurde eine aus heutiger Sicht eher seltsame Restaurierungs-Methode beschrieben:
"Sanierung Klosterkirche Muri: Angesichts des bedenklichen Zustandes des Holzwerkes der vergoldeten Schnitzereien musste ein besonderer Arbeitsplan ausgeklügelt werden. Lösungsmittelhaltige Lacke und wässerige Leime, welche beide stark schrumpfen sowie die leicht versprödende Polyisocynaten konnten nicht erfolgversprechend eingesetzt werden, da einige Teile nur noch durch den Kreidegrund und die Vergoldung zusammengehalten wurden. Der mit der Restauration betraute Holzbildhauermeister J. B. deckte die Vergoldung zunächst mit einer dünnen Silikon Kautschuk Giessmasse 56 ab und bettete die Vorderseite dann in ein dickes Kissen aus Polyurethanschaumstoff ein. Nach dem Aushärten des Schaumbettes wurde dann in zeitraubender Kleinarbeit vermittels einer biegsamen Welle und mit kleinsten Fräsern das zerfressene Holz bis hart an den Kreidegrund herausgefräst. Die so entstandene Form wurde mit Araldit N ( CY 213 ) und Härter HY 956 dünn ausgestrichen und schlussendlich mit der Mastermodellpaste Araldit SV 425 ausgefüllt. Wo Teile der Schnitzereien fehlten, wurden gleichzeitig die zugerichteten Lindenholzstücke eingebettet, welche nachher anhand der Originale geschnitzt und vergoldet wurden. Da diese reiche Bildhauerarbeit wieder an den ursprünglichen Platz zu stehen kam, wo sie dem Einfluss der Temperatur und Feuchtigkeit der Wand ausgesetzt war, hat Meister B. alle der Wand zugekehrten, aus Mastermodellpaste SV 425 bestehenden Rückseiten mit einer isolierenden Firnisschicht abgedeckt. Die bereits um 1961 begonnenen Versuche, welche auch strenge Alterungsprüfungen einschlossen, versprechen nicht nur eine dauerhafte, sondern eine formal gewissenhafte Restauration.“
Porträts in Nr. 66 / Juli 74: A und D von César Jaeggi Zürich (Amundsen und Grock(; B und A von A. Seeger Kriens (R. Wagner); C von Ernst Schoebel Schwyz.
Nr. 63 - Februar 1974
Einmal mehr, oder immer noch, beschäftigt sich der Vorstand mit dem Lehrlingsreglement der Holzbildhauer. Die neuste Fassung wird an der GV in der Lenk genehmigt und anschliessend dem BOH und dem BIGA zur Genehmigung unterbreitet.
Im gleichen Jahr wurden ein Kurs für das Spritzen/Patinieren von Holzskulpturen, ein Arbeitskreis zum Gestalten von Holzgrabzeichen und ein Kalkulationskurs durchgeführt.
Nr. 71 - März 1975
Präsident Josef Z‘Rotz sorgt sich in seinem Jahresbericht um den Nachwuchs. Immer noch drehte und wurstelte man am Lehrreglement herum, das BIGA hatte weitere Wünsche, ohne diese näher zu definieren.
Z'Rotz: "Eine schwere Sorge lastet jedoch, mit oder ohne Reglement auf uns, um unseren Nachwuchs. Lehrstellen sind kaum noch zu finden. In der Schnitzlerschule kommen jährlich 5 bis 6 Bildhauer (In- und Ausländer) aus der Lehre. Von diesen mag einer sich weiterhin als handwerklicher Bildhauer betätigen, die übrigen wandern sukzessive ab auf andere Betätigungen. Ein ganz kleiner Teil versucht sich als freier Bildhauer, meistens so lange, bis der Staat irgendwie Unterschlupf auf verwandten Gebieten bietet. An den Kunstgewerbeschulen kann man nur noch Kurse besuchen, die da heissen: "Gestalten in Holz". Also mehr oder weniger Basteleien."
JS: Der Präsident ritzte ein klein wenig an einem Problem, das auch heute noch - mehr als 30 Jahre später - akut ist! Des Pudels Kern liegt doch darin, dass damals wie heute viel mehr Holzbildhauer-Lehrlinge ausgebildet werden, als der Markt überhaupt beschäftigen kann. Dies - Pardon - hauptsächlich, um die Schnitzlerschule mehr oder weniger mühsam am Leben zu erhalten. Dabei läge die Lösung, wie es Z‘Rotz andeutete - allerdings ohne die Konsequenz aufzuzeigen - darin, dass es an qualitätsvollen Weiterbildungsmöglichkeiten für junge Bildhauer fehlt. Das Fabrizieren von Basteleien mit esoterischen Beschreibungen kann man bei allen offiziellen "Schulen für Gestaltung" zur Genüge lernen. Kaum noch wird aber irgendwo das Fundament für wirkliche BILDHAUEREI in allen Materialien gelegt. Das würde anfangen mit Allgemeinbildung, und weiterführen mit vertiefter Kunstgeschichte, Materialkunde und Verfahrenstechniken, Gestaltungslehre, Anatomie, Proportionslehre usw. usw., und ja, auch Kalkulation und Marketing, selbstverständlich alles eng verbunden mit praktischer Arbeit! Nach meiner unmassgeblichen Ansicht, die ich schon seit Jahren verbreite, wäre dies absolut eine zukunftsträchtige Aufgabe für die Schnitzlerschule Brienz. Also: Lehrlingsausbildung reduzieren, Weiterbildung forcieren.
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8 / An der GV 1975 wurden drei Mitglieder aus dem VSHB ausgeschlossen, weil sie den Mitgliederbeitrag von Fr. 50.- schon länger nicht bezahlt hatten. Auch wurden Bedenken geäussert über die „sorglose Aufnahmetaktik“ in den Verband. Man verlangte damals dafür Referenzen und Bilder von eigenen Arbeiten. Nicht alle Kandidaten goutierten dies: einer, aus der Ostschweiz, sandte statt der Bilder einen ganz entrüsteten Brief . . .
Der Kollege Ernst Schoebel aus Schwyz verstarb 1974. Der Vorstand des VSHB hatte die sympathische Idee, für ihn auf Kosten - nicht des Verbandes, sondern einiger Kollegen - ein stilvolles Holzgrabmal zu errichten. Dafür wurde ein kleiner Wettbewerb lanciert; zur Ausführung gelangte der Entwurf von JS: ein schmale Stele mit Relief des Evangelisten-Symboles von Lukas - Patron der Bildhauer und Maler, ein Buch mit Malerpalette und Bildhauerwerkzeug.
Eigentlich war beabsichtigt, beim Hinschied von weiteren Mitgliedern ähnlich vorzugehen, mit dem Hintergedanken, dies könnte eine gewisse Werbewirkung für das Holzgrabmal entfalten; jedoch versandete die Idee nachher gleich wieder.
Immer und immer wieder kommt die Bitte in den Nachrichten, man möge doch gute Bilder von eigenen Arbeiten einsenden! (Ende 2007 scheinen Bilder von Arbeiten der Mitglieder kein Thema mehr zu sein?)
1976 führte der Verband erstmals einen Kurs für Preiskalkulation des Holzbildhauers durch, im Gewerbeschulhaus Stans. Die GV dieses Jahres war in Weinfelden. Sie war begleitet von einer Kunstausstellung in der stimmungsvollen Kellerbühne von Conrad Gubler.
Walter Steiner aus dem Toggenburg, der Weltmeister-Skiflieger, war, wie Sie sich vielleicht erinnern, gelernter Holzbildhauer und bei uns Mitglied. Dass er in der Presse immer wieder als „Holzschnitzler“ bezeichnet wurde, lag unserm damaligen Redaktor Werner Dort sehr auf dem Magen. Seiner Ansicht nach hätte es „Holzbildhauermeister“ heissen müssen (das Reglement war noch nicht geboren . . .). Die Bezeichnung „...meister“ stiess hingegen wieder einigen Brienzern eher sauer auf. Wie zitierte doch jeweils mein Faktotum Gottfried Meyer, der zur Nazizeit in Niederbayern aufgewachsen war, den „grössten Feldherrn aller Zeiten Gröfaz“: „Wwirr hhabben Prrobbleme gewwälzt und Prrobbleme gewwälzt ! ! !“
An der GV 1977 auf der Ufenau war dies immer noch ein Thema des „Schweizerischen Holzbildhauer-Meisterverbandes“. Ein Antrag auf Umbenennung zu „Holzbildhauerverein“ wurde abgelehnt. Auch dem Antrag, die Bezeichnung „Meister“ fallen zu lassen, wurde nicht entsprochen, weil die Umbenennungen enorme Kosten verursachen würden, "anderseits weder materiell etwas einbringt, noch den Geist der Mitglieder zu beeinflussen imstande ist. Die Bezeichnung MEISTER wird von einigen Mitgliedern als etwas hochstaplerisch empfunden, da unser edles Handwerk ja keine Meisterprüfung kennt. Sie ist aber einfach so zu verstehen, dass es sich um Holzbildhauer handelt, die selbständig einen Betrieb führen, und keinesfalls als künstlerischen Ehrentitel. Wollte man den Meistertitel in diesem künstlerischen Sinne verstehen, dann böte allerdings auch eine eigentliche Meisterprüfung keinerlei Gewähr, dass der Absolvent ein MEISTER sei."
Ist dem noch etwas beizufügen?
"Auch Künstler in der Meisterklasse basteln mal mit Kleistermasse.
Kommt aus dieser Kleisterklasse wohl ne grosse Meistermasse?“
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Im Juli 1977 führten wir im Photostudio Ritz in Adliswil einen Kurs für das Photographieren von Skulpturen durch. Die Teilnehmer brachten eigene Arbeiten mit. Der Fachmann führte sie in die Geheimnisse der Belichtung und Beleuchtung ein, Licht- und Schattenwirkung, Bildaufbau, Hintergründe usw.: alle haben davon merklich profitiert! Für die Fortgeschrittenen war damals durchaus auch noch das Selber-Entwickeln, -Kopieren und -Vergrössern ein Thema.
Dieser fleissige Bildhauer-Manöggel zierte ab Gründung des Verbandes in vielen Varianten, eher sporadisch, dessen Schrifttum. Lange Jahre gehörte auch der sinnige Spruch dazu: "Vereint ist möglich, was dem Einzelnen zuviel." FL hat allerdings - respektlos - den Spruch leicht variiert: „Vereint ist möglich, was dem Einzelnen zuwider“. 1989 wurde dann das heute noch gebräuchliche Logo eingeführt, aufgrund eines Wettbewerbes, vom Gewinner Urban Hauser. Der Manöggel indes wurde dann, nun frei geworden, von Josef Schibig für sein Firmenlogo adoptiert, annektiert, oder usurpiert?
In Nr. 90 / Nov. 77
wird ein langer Brief von Dr. Anbar abgedruckt, welcher sich neben seinem Beruf als Direktor eines wissenschaftlichen Instituts in Palo Alto Kalifornien mit dem Verfassen eines Buches über Holzkunst befasst. Nach einer Reise in ganz Westeuropa beklagt er sich bitterlich, dass er in der Schweiz - ausser den Heimatwerken - nur gerade zwei Läden gefunden habe, welche ausschliesslich Schweizer Holzkunst verkaufen. Er empört sich darüber, in Brienz, Interlaken und Zürich "viele Kunst- und Souvenirläden mit massenproduzierten Schnitzereien aus dem Val Gardena gefüllt zu sehen, welche (nach Auswechseln der Etiketten) als "Schweizer Holzkunst" verkauft werden; in einem Laden erzählte man ihm, diese kämen aus Appenzell, in einem andern, sie wären aus Luzern, noch in einem andern, man wüsste nicht woher, aber ganz gewiss SWISS MADE! In Zürich besuchte er mehrere Läden, welche ANRI-Produkte verkauften, der grössten Fabrik in Italien, welche maschinengemachte Schnitzereien in Massen herstellt: dort sagte man ihm geradeheraus, diese wären in Brienz von Hand gemacht . . .
„Diese Massenprodukte werden zu ziemlich hohen Preisen verkauft. Für uns - und wir haben ihr Land ein halbes Dutzend Mal besucht - war dies die erste Begegnung mit organisierter Unredlichkeit in Schweizerischen Geschäften.“
Dr. Anbar ist besorgt, dass unter diesen Umständen die traditionelle Schnitzlerkunst in Kürze gänzlich verschwinden könnte. Er macht den Vorschlag, es sollte in Brienz ein Museum mit typisch Schweizerischen Holzschnitzereien errichtet werden, und bietet dazu jede mögliche Hilfe an.
Die Botschaft und das Angebot sind anscheinend nicht auf sehr fruchtbaren Boden gefallen?
Nr. 92 / März 78
Das neue Reglement über die Ausbildung und die Lehrabschlussprüfung für den Beruf der Holzbildhauer ist vom BIGA auf den 1. März 1978 in Kraft gesetzt worden.
Ein kurzes und ein ausführliches Berufsbild des Holzbildhauers sind ebenfalls vom VSHB erarbeitet worden und sind druckbereit.
Eine dunkle Zukunft für die Schweizer Kunstszene.
Mit nahezu 700 Teilnehmern ist die Bewerbung um einen eidgenössisches Kunststipendium zu einer Monsterveranstaltung geworden. Fritz Billeter und Bice Curiger haben sich in Lausanne umgesehen und die Ergebnisse dieser Umschau nachfolgend festgehalten.
"Die Jury musste feststellen, dass die zahlenmässige Zunahme von keiner Qualitätsverbesserung begleitet war. Der Gesamteindruck war niederschmetternd. Als völlig altmodischer Mensch möchte ich zuerst festhalten dass gerade bei den Jungen das Verhältnis zur Leistung stark gestört ist. Während in der gegenwärtigen Rezessionszeit Tausende um ihre Arbeitsplätze bangen, oder ihr Letztes hergeben müssen um ihn behalten zu können, liefern weit mehr Künstler als früher ein erbärmliches NICHTS ab.
Da heftet Albert Bonnet drei gehäuselte Blätter, übersäht mit Telefonbuchkritzeleien, und mutet dem Betrachter zudem eine schriftliche Erläuterung seines Tiefsinns zu. Da hat Kaspar Pfenninger mit der Spraydose mit grossen Lettern "Sich immer so prostituieren müssen“ hingemalt und diesen Satz mit einer Frauenfigur im Zille-Stil konfrontiert. Da hat Raymund Hoepfinger in 3 Sprachen und auf 3 Tafeln die Aufforderung gedruckt: Bitte gebt mir ein Stipendium. Falls er und Kollege Pfenninger es ironisch meinen, fällt die Ironie flach - oder auf sie zurück. Der Kitsch treibt vielfältige Blüten. Christlich religiösen Kitsch mit einem Schuss Bodenständigkeit beschert uns der Plastiker Karl Imfeld, Lungern, während er bei Kurt Frei, Brugg, sich als leerer gesuchter Formaufwand voller Akkuratesse niederschlägt. Mandala-Kitsch steuert Anne Marie Weisskopf bei, Herbert Kopainig aus Heiden hält es mit knalliger indischer Exotik und die Zeichnungen von Christophe Krafft, Chavanne streicheln eine pubertär-erotische Thematik. Rose lneichen Luzern kämpft gegen die Umweltzerstörung (Baumord), aber gute Gesinnung bedeutet noch lange nicht gute Kunst. Die Jury war bei einer derartigen Jahresernte gewiss nicht zu beneiden. Vor allem die Qualitätsfrage gibt zu denken.“
Fritz Billeter TA 28.3.1978
Was soll man dazu sagen, dreissig Jahre später? Nach meiner Ansicht hat Billeter - siehe Titel - leider eine sehr treffende Prognose gestellt.
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9 /
Ab Nr. 99 / 1979
wurden die NACHRICHTEN VSHB nicht mehr von Werner Dort mit dem bisherigen Hektographen oder Umdrucker hergestellt, sondern fotokopiert. Das ermöglichte das Anbringen von schwarzweissen Bildern nicht nur als separaten Druck, sondern im Text integriert. Neue Redaktoren waren Gertrud Hess, Ferdinand Mathyer und Josef Schibig (der dann den Posten bis Nr. 197 / 2001 versah).
Kurze Reise ins Welschland
Bei der Gemahlin von Richard Besse in Vufflens-le-Chateau VD durften wir Anfangs August gegen geringes Entgelt die verbliebenen Bücher des Verstorbenen abholen, sowie auch seine Schnitzeisen. (Wegen Büchern siehe auch die nächste Seite.)
Anschliessend besuchten wir in Lausanne das vielgerühmte Musée de l‘Art brut. Nun, brut war diese Sorte "Kunst" gewiss. Symptomatisch, im Gegensatz zu der eines Richard Besse hochgeehrt, füllt sie in raffinierter Präsentation ein ganzes, eigens dafür hergerichtetes Haus mit Kritzeleien, Basteleien und Bosseleien einer ganzen Reihe von Psychopathen jeden Alters und aus aller Welt. Die Sachen gleichen sich zum grössten Teil wie ein Ei dem andern: irgend eine vorgegebene Form (Fläche, Gestell, objet trouvé) wird über und über mit kleinteiligen Förmchen überzogen und vollgestopft, sinnlos oder nach abstrusen "jenseitigen" Prinzipien. Teils echte Hilfeschreie von kranken oder sonstwie bedrängten Menschen, Beschäftigungstherapie, teils Machwerke von solchen, die fix eine gewinnträchtige Masche wittern. Eine gewisse dekorative Wirkung kann gelegentlich nicht abgestritten werden. (Suche in Google Bilder, z.B. "Adolf Wölfli"; dasselbe sinngemäss für den folgenden Artikel.)
Dann noch Besuch der Ausstellung des Architekten Viollet-le-Duc (1814 - 79), von dem wir ebenfalls ein sehr schönes Buch in der VSHB-Bibliothek haben, im Bischofs-Palais. Auffallend, besonders nach "Art brut", auch hier in den Plänen zur Restaurierung von Kathedralen das kleinteilige Ausfüllen von Formen, das auf den ersten Blick eine ganz ähnliche Wirkung ergibt. Doch hier sind es nicht lauter stumpfsinnige Zufallsgebilde, sondern detaillierte Analyse von komplizierten Organismen, welche von intaktem menschlichem Geist zielgerichtet ersonnen wurden: Kathedralen.
Beängstigend ist hier nur, zu sehen, was für ein in Quantität und Qualität gewaltiges Lebenswerk Viollet-le-Duc vor 100 Jahren mit vergleichsweise primitiven technischen Hilfsmitteln hervorzubringen vermochte, beängstigend im Vergleich zu unsern heutigen mickrigen und doch so hochgerühmten Leistungen, da nur noch "Frei"-Zeit und Lohn zählen.
Wie werden wir vor der Nachwelt dastehen? JS
In der gleichen Nummer 99 schrieben wir gleich drei recht aufwendige Aktivitäten aus:
Eine Reise ins Burgund - einen Kurs für das Gestalten von geschnitzten Massivmöbeln - und einen Porträtier-Kurs.
Ausschreiben ist eine Sache, Durchführen eine andere: aber wie wir später sehen werden, wurde alles verwirklicht!
Doch vorerst möchte ich jene Kollegen, die sich im Internet bewegen können, noch einen Hinweis geben in Bezug auf Kunstbücher. Vorher hatte ich kurz erwähnt, dass wir solche vom verstorbenen Richard Besse zuhanden der VSHB-Bibliothek abholen durften. Diese Bibliothek befindet sich seit einigen Jahren in der Obhut der Schnitzlerschule, alle Verbandsmitglieder dürfen die Liste anfordern und Bücher gratis ausleihen. Anno 1979 waren es 64 Bände, zum Teil seltene Schätze. Nun, das Problem bei einer noch so guten Bibliothek ist ja immer, dass man entweder die Bücher selber abholen oder aber ziemlich lange warten muss, bis sie per Post eintreffen. Nicht so im Internet: gerade Kunstbücher sind dort zu finden wie Sand am Meer, vielfach mit allen Bildern in hervorragender Qualität.
Nehmen wir als Beispiel mal gleich die Nummer 1 der VSHB-Bücher: Statz/Ungewitter, Gotisches Musterbuch, Weigel Leipzig 1861. In Google geben wir als Suche ein „Statz/Ungewitter“; in Sekunden kommt das Resultat: 9 Einträge; ich klicke gleich den ersten an:
Augenblicklich steht das ganze Buch mit mehr als 100 Bildtafeln zur Verfügung. Als Beispiel zeige ich einen sehr stark verkleinerten Ausschnitt aus Tafel 15, Einzelheiten vom Portal in Hofgeismar (wegen der Dateigrösse musste ich das Bild für den Rundbrief stark vergröbern).
Probiert doch das aus!
Nr. 102 / 1980
Ein Auszug aus Ferienerinnerungen aus Florenz, von Redaktor JS. Es wäre interessant zu wissen, ob sich in dem erwähnten Quartier auch heute noch so viel Interessantes für den Holzbildhauer finden lasse; oder hat auch hier die Kleiderboutiquen- und Bijouterie-Seuche um sich gegriffen?
„Tip speziell für den Schnitzler: Zwischen dem Ponte Vespucci, auf dem ich einen wunderbar bequemen Parkplatz fand (- was aber anscheinend nicht weiterempfohlen werden sollte, denn dem Taxifahrer, der uns nachher dorthin zurückkutschierte, standen alle Haare zu Berg, die Autos werden dort sonst scheints einfach mit Kranwagen abgeschleppt -) und dem Palazzo Pitti liegt ein Quartier, das nur so von Schnitzern und Vergoldern wimmelt. Man muss dorthin aber zu Fuss, und viel Zeit einplanen. In so einem Nebengässlein, nahe bei der Piazza del Carmine, kam ich ins Gespräch mit zwei solchen Schnitzern, die auf der Strasse diskutierten. Im dunkeln Loch dahinter heulte eine 24-spindlige Schnitzmaschine.
Das war aber nicht genug. Der eine der beiden zeigte mir ein paar Strassen weiter einen ganz unscheinbaren Eingang, wie eine Stalltüre, ohne jede Beschriftung, und sagte mir, wenn ich als Schnitzler das Staunen lernen wolle, so solle ich dort eintreten. Und wir taten es. Hinter dem Holztor öffnet sich ein System von dunklen Hinterhöfen, mit Glas überdeckt, und von einzelnen ineinander verschachtelten Räumen und Löchern, vom Fussboden bis hoch hinauf in den Glashimmel buchstäblich vollgestopft und gehängt mit Schnitzereien in allen denkbaren Stadien: gebohrt ab Schnitzmaschine, roh geschnitzt, fertig gebeizt und behandelt, vieles vergoldet und patiniert, vieles zweifellos durch langes Hängen in diesem Schnitzlerhimmel auch schon wieder fast antik geworden. Dazwischen einige Leute, die über einen Handel diskutieren, hier ein Schnitzbank, dort ein "Zeichenbüro" (nur ein dunkles Loch ohne jedes Tageslicht, die elegante Zeichnerin aber lässig und mit grossen Gesten mit dem Mitarbeiter diskutierend, als ob die Kunstszene von Firenze von hier aus für die nächsten Jahrzehnte dirigiert würde).
Es handelt sich um das Lager und einen Teil der Werkstätten eines Betriebes, der um die 60 Leute beschäftigt. Der Verkauf wickelt sich hauptsächlich über 2 Läden im Geschäftszentrum ab. Wenn dort ein Kunde nicht das Gewünschte findet, wird er in das Lager geschickt. Und wir staunten also wirklich - oder alpträumten wir?
Und so ähnlich geht es zu im ganzen Quartier, überall hört das geübte Ohr wieder das vertraute Töggelen eines Holzhammers. Einmal kommt der Ton aus einem Kellerloch, 30 cm hohe Fenster. Wenn man hinunterschaut, öffnet sich der Blick in einen weiten, hellerleuchteten Saal, voller Schnitzler. Ebensooft trifft man auf Vergolder. Die kennt man natürlich am - für uns - herrlichen Geruch. Eine Spezialität scheinen die leuchtertragenden Mohren zu sein. Als männliche Muskelhelden und dämliche, Entschuldigung weibliche Schönheiten mit reichlich Holz vor dem Haus und malerisch knappem Lendenschurz stehen sie gleich reihenweise in und vor den Werkstätten herum, in Silber, Gold und jedem beliebigen Antik-Stadium.
Den vielen Handwerkern und Künstlern entsprechend findet man dann natürlich auch in den Werkzeugläden alles, was ein Schnitzlerherz nur begehren könnte.
Für diesmal nahm ich ein Hämpfeli der feinsten Pinsel mit, die man sich fürs Vergolden nur vorstellen kann, sowie eine Kunstharz-Mixtion, die man schon eine Viertelstunde nach dem Auftragen mit Gold belegen kann, aber auch noch nach einem Tag.
Die Münze, die man sonst irgendwo in einen Brunnen wirft, auf dass man garantiert wieder zurückkehrt, haben wir - Schweizer sind sparsam - lieber in einer kleinen Trattoria zusätzlich investiert. Ich bin überzeugt, dass sie auch so wirken wird. JS“
Nr. 104 / 1980
Es wird mit dem Publizieren des Kalkulationskurses VSHB begonnen, was sich über längere Zeit hinziehen wird. Das Kurs-System ist bis heute noch aktuell; mit geringen Anpassungen an Teuerung, geänderte Sozialzulagen usw. ist man damit immer noch gut gerüstet. Kann bei JS bezogen werden.
Und zum Schluss jener Nummer:
"Auf die Frage, wie man denn feststellen könne, ob etwas überhaupt Kunst sei, sagte ein Museumswärter in Wien:
Des is ganz einfach: Wanns signiert is, dann is es Kunscht!“
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Nr. 105 / 1980
Ein schwieriger Beruf
Holzbildhauerei scheint wirklich ein ziemlich schwieriger Beruf zu sein, mindestens wenn man danach geht, wie das Wort selber gelegentlich orthographisch verwurstet wird. Im Lauf der Jahre habe ich mir eine kuriose Sammlung von solchen Verunglimpfungen angelegt, wie sie mir immer wieder auf Adressen, besonders solchen aus dem Ausland zufliegen. Früher schrieb ich sie einfach ab; als dann nach und nach immer mehr solcher Prachtsexemplare eintrafen, begann ich, die Adressen auszuschneiden, um nicht in den Verdacht zu kommen, sie alle selber erfunden zu haben. Hier einige amüsante Beispiele, Originale, und manchmal in Klammern eigene "Weiterentwicklungen ":
Holzbildbauerei, Holzbild Hauer, Holzbildhauser (Holzbildsauer?), Holzbildhauder (...natürlich, manchmal pressierts schon ein wenig), Holzhacker, Kunstholzhauer (gar nicht so aus der Luft gegriffen, nachdem uns die Schreiner schon Güsel- Entschuldigung, MDF-Platten zum Schnitzen bringen), Möbelschitzer, Holzbildbrauer (Proscht!), Holzbilhauerli (aus Amerika - dort ist halt alles viel grösser ), Holzwildhauer (warum nicht gleich Holzwaldhauer?), Holzibauer und Holzbildheuerei (Selbstversorger!). Aus Italien und Spanien kamen Holzibildhaurer, Olzbildhauer, Holzbildhaurel (- und Lardy). Dem Computer des Steueramtes blieb das folgende nette Kompliment vorbehalten: Holdbildhauer. Dem grossen elektronischen Bruder seis herzlich verdankt! Dem Heimatwerk gelang die Erfindung des Holzbiödhauers. Ehrlich, kommt man sich im Verkehr mit den allmächtigen Wiederverkäufern nicht manchmal so vor? Das Wort Möbelschmitzereien quittiere ich mit einem verschwitzten Lächeln - oder verschnitzten . . ? Der Holzbildnauer hingegen ist ein sehr geschätztes Vorstandsmitglied unseres Verbandes. *
Da sieht man nun wieder einmal, wie's beim Schreiben fast unfältig herauskommen kann, wenn man zu wenig sorgflätig ist! JS (* Josef Nauer Freienbach)
Aufgrund der Gehaltserhebungen des Bundes vom Oktober 79 verdiente ein gelernter Arbeiter in der Gruppe Drechslerei, Schnitzerei (inkl. Bildhauerei) durchschnittlich Fr. 13.03 pro Stunde; gegenüber 1978 (= 12.56) entspricht dies einer Zunahme von 3,8 %. Von 1977 auf 78 waren die Löhne hingegen um 0,7 % gesunken. Im Durchschnitt aller Branchen war der Stundenlohn 1979 bei den Gelernten Fr. 14.14 . Im 1. Quartal 1980 waren die durchschnittlichen Stundenlöhne im Handwerk (aufgrund der verunfallten Arbeitnehmer) Fr. 13.08 .
Frage: Wie wird man später den Bau- und Möbelstil des 20. Jahrhunderts wohl benennen? Natürlich Blockoko
Das Mitgliederverzeichnis des VSHB vom Juni 1980 - von Aebersold bis Zwicker - umfasste 60 selbständige Holzbildhauer.
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Aus Nr, 110/1981:
KUNST-SCHUBLADEN
Kaum etwas scheint sich gefühlsmässig weniger zum schubladisieren, katalogisieren und abstempeln zu eignen als gerade "Kunst". Es ist aber amüsant - und lehrreich - dies z. B. in einer Ausstellung im vollen Bewusstsein der Problematik doch einmal zu versuchen, vielleicht mit dem folgenden Schema, das nicht allzu stur verstanden sein will:
Probieren wir also einmal, jedes einzelne Werk in eine der folgenden vier Kunst-Schubladen fein säuberlich beschriftet zu verstauen, vorerst ohne Wertung:
1. Schublade
Wiedergabe der sichtbaren, "materiellen" Umwelt in den verschiedensten Techniken
2. Schublade
Wiedergabe der inneren, geistigen, seelischen Welt:
A) unter Verwendung von in ihrer Bedeutung bekannten "Zeichen" aus der sichtbaren Umwelt
B) ohne Verwendung von bereits bekannten Zeichen, also durch Schöpfen von neuen Zeichen
3. Schublade
Bewusstes Schöpfen einer neuen innern, geistigen, oder äussern materiellen Welt, die sich
A) in bereits aus der sichtbaren Umwelt bekannten
B) daraus entwickelten, oder
C) in neu geschaffenen Formen ausdrückt.
4. Schublade
Spiele mit Materialeffekten, mit technischen Effekten
A) ehrlich als solche deklariert (akzeptierter "schöpferischer" Zufall)
B) fälschlich als zur 1. bis 3. Schublade gehörig deklariert (Vortäuschung von Kunst)
Probehalber dürfte da z. B. Ornamentschnitzerei meist unter 3.B einzureihen sein, Landschaftsmalerei meist unter 1. oder ev. 2.A
Religiöse Kirchenfiguren unter 3.A
Abstrakte Skulpturen unter 2.B, 3.C, oder 4.B?
Müsste heute nicht vielleicht leider ein sehr grosser Teil aller Produkte mit Kunst-Anspruch unter 4.B, und damit als Effekt-Hascherei eingereiht werden? JS
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Aus Nr. 110, August 1981
Rosskastanienholz (Aesculus hippocastanum) eignet sich eigentlich sehr gut zum Schnitzen, praktisch wie Linde; auch kann man es gelegentlich ganz billig kriegen. Nur: aufgepasst, der Holzwurm hat es ganz besonders gern! Vor 15 Jahren habe ich einige Stämme aus einer Gartenwirtschaft gekauft und in der Zwischenzeit grösstenteils verarbeitet. Nur ein Stück blieb im Holzlager liegen. Wie wir es kürzlich ans Licht zogen, war es durch und durch fast wie ein Schwamm verwurmt, als ob es mindestens 500 Jahre alt wäre. Dabei spritzen wir das Holzlager regelmässig gegen Wurm!
Das Innere der Klosterkirche Rheinau ist kürzlich fertig restauriert worden und präsentiert sich wieder in einer unvorstellbaren Pracht und Schönheit.
Zuhanden der Gebäudeversicherung des KT Zürich hatte euer Redaktor den Auftrag, zu schätzen, was es heute kosten würde, sämtliche Altäre, Statuen, Chorgestühl usw. nach einem Verlust (z.B. Brand) wieder herzustellen. Es handelt sich im Einzelnen um den gewaltigen Hochaltar (allein die zuoberst sitzende Krone hat einen Durchmesser von gut 5 Meter), Abtsitz und Zelebrantensitz, das reich geschnitzte Chorgestühl in Nussbaum, Gehäuse der Chororgel, zehn sehr reiche Seitenaltäre, die Kanzel, neun Beichtstühle, Sakristeimobiliar, Orgel, Rückpositiv und Emporengeländer.
Ich habe das Ganze aufgrund des VSHB-Kalkulationskurses sehr genau geschätzt. Dabei ergab es sich, dass nur allein die Holzbildhauerarbeiten inkl. Detailzeichnungen und teilweise Holzlieferung (also ohne Schreinerarbeit, ohne Fassen und Vergolden) für alles zusammen auf gut 3.7 Millionen Franken (1981) zu stehen käme. In Arbeitszeit ausgedrückt wären es für einen Mann mehr als 30 Jahre Arbeitszeit ohne jeden Unterbruch!
Im Flüeli war eine Bruder-Klausen-Ausstellung zu sehen, die einen tiefen Eindruck machte, und der auch eine Ausstellung moderner Kunst angegliedert war. Dazu schrieben die NACHRICHTEN: "Was man allerdings im Flüeli sowie in Sachseln an neuer Kunst sieht, unterscheidet sich in nichts von alledem, was uns die Kunstpäpste seit Jahren allüberall auf der Welt an krampfhaft originell sein wollenden Bastelarbeiten aufzudrängen versuchen. Was wechselt, sind nur die Etiketten; flugs werden tiefsinnige Bezüge zu jedem beliebigen Thema gestrickt. Diesmal ist‘s halt zufälligerweise der Bruder Klaus.“
Das leitete nahtlos über zum Schlusswort von Mark Twain:
"Wir lernen aus Erfahrung, dass wir Menschen nichts aus Erfahrung lernen."
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10 /
Aus Nr. 111, Dezember 1981 AUTODIDAKT
Bei Ausstellungs-Ankündigungen von Künstlern erscheint oft das Wort "Autodidakt", bezogen auf dessen Ausbildung; gleich anschliessend folgt, einem ausgefeilten Ritual gehorchend, eine beeindruckende Aufzählung von Studienreisen: Nordafrika macht sich immer gut, USA natürlich, Italien, Paris, Südfrankreich, neuerdings der ferne Osten. Dass die Studienorte der Künstler sich öfter mit den beliebten Ferienorten der Banausen decken, ist vermutlich purer Zufall. - Weiter kommt dann noch - unter "Einzel- und Gruppenausstellungen" - eine lückenlose Aufstellung der wichtigen Grossstädte mit Jahreszahlen; damit wird die Weltgeltung des Künstlers jenen diskret in Erinnerung gerufen, die - Büldungslücke - von ihm noch nie etwas gehört haben sollten. Und so wird dann gleich auch klar, dass es nichts als recht und billig ist, wenn in der separaten Liste die Preise in US-Dollar oder minimümstens in DM, zügig auf gerade Tausender gerundet, angegeben sind.
Doch zurück zum Autodidakten. Wie sich‘s gebührt nur dem Eingeweihten der innersten Kreise verständlich, wird hier scheu an die unbegreifliche Grösse des betreffenden Kunstgiganten gerührt: der sich nie in den niedern Staub einer handwerklichen Lehre, in den Philisterbetrieb einer Schule zwingen liess, der - ehrfurchtsvoll sei es gehaucht - sich selber lehrte! JS
Der Schreiber muss, auf sich selber bezogen, leider zugeben: "Tumm gibore und nüd dezue glehrt!"
Knorrige Bergler im Akkord
1981 brachten die NACHRICHTEN den folgenden sehr angriffigen Artikel aus der WELTWOCHE, als Diskussions-Ansporn. Hat seine Aktualität hat durch das Alter abgenommen? An sich wollte ich den Text stark kürzen; das fand ich dann doch schade, weil man die Lust der Verfasserin am holzschnittartigen Schwarz-Weiss förmlich spürt: auch das Schreiben ist ein honoriges Handwerk - und es wäre ebenso leicht mehr oder weniger witzig infrage zu stellen wie die Erzeugnisse der Schnitzler. Fritz Fuchs konterte in der Presse überzeugend.
"Noch immer reisen Touristen carweise nach Brienz, um Handgeschnitztes zu kaufen. Doch zunehmend massiver untergräbt industriell hergestellte Konkurrenzware aus Taiwan und Oberammergau sowohl den Brienzer Schnitzlerstolz wie das Preisgefüge.
Bereits auf Brünig-Hasliberg drohen dem arglosen Reisenden die ersten Vorboten der grossbuchstabig annoncierten „Wood Carvings». Aber umfassend orientiert erst der eigentliche Tatort: Brienz. Die Schaufenster im legendären Zentrum oberländischer Schnitzlerkunst blähen sich ob all der hölzernen Hervorbringungen wie überfüllte Mägen.
In den Vitrinen gesellen sich ohne thematische Rücksichtnahme brünstige Hirsche zu pfiffigen Weiblein, Sennenhunde und Bären zu Trachtenkindern und Weihnachtskrippen. Vor allem Tiere aus der einheimischen Bergszenerie sind die grossen Renner jeder Saison: Gemsböcke, auf zwei Beinen balancierend, neben Eulen mit dem verschleierten und Adlern mit dem charakteristisch scharfen Blick, der meistens hart am Preisschild des Vordermannes endet.
Kuh bleibt eben Kuh
Nicht sonderlich vorteilhaft präsentieren die Holzkünstler ihr Lieblingsmodell, „s Brienzerbuurli“: Die Kümmernis scheint den knorrigen Alten mit dem leicht einwärts gedrehten Schlurfschritt durchweg ins rechte, vorgerückte Knie zu drücken, und die tiefen Kerben in seinem Antlitz vermögen das karge Berglerleben überzeugend zu dokumentieren: ein Dauerbrenner der Branche.
Branche? Für den Unwissenden ist alles Dargebotene Holz, von Hand geschnitzt, kurz: original. Doch hinter den Kulissen wird subtiler unterschieden. Denn nicht alles, was sich echt gibt, ist lupenreines Brienzer Handwerk. Aus dem asiatischen Raum - Taiwan und Hongkong - droht die Konkurrenz mit gussformgepresster Billigware: für den Laien perfekte „Holz“-Kopien zu äusserst gefälligen Preisen.
Da greift denn eben mancher zu. Denn an Weihnachten, bei schummriger Kerzenbeleuchtung, sieht ohnehin keiner mehr, ob die Weihnachtskrippe, die Heilige Familie samt Kuh und Esel nun original Berner Oberland oder original Taiwan ist. Ob da nun einer zwei Stunden lang daran herumgeschnitzt hat oder ob eine Maschine das Werk in Sekunden stanzte.
Massive Gefahr kommt zudem aus dem näherliegenden Oberammergau, wo die Produzenten folkloristischer Kunst rund um die Uhr ihre Maschinen rasseln lassen. Importierte industriell hergestellte Kühe, Bauern, Holzheilige und Jagdszenen aus Österreich untergraben den Brienzer Schnitzlerstolz sowie, schlimmer noch, das feste Preisgefüge.
Das Hauptanliegen des Berufsverbandes Oberländischer Holzschnitzer (250 Mitglieder) ist zur Zeit denn auch der Kampf gegen Nachahmung und die Kennzeichnung originaler Schweizer Werke durch das Armbrustzeichen.
Hingegen lassen sich die Sujets selbst nur schwer schützen; die Darstellung einer Kuh bleibt sich, in Gottes Namen, in ihren Grundzügen gleich - sowohl in Tirol wie auch in Taiwan. Immerhin gilt der Ehrenkodex, dass eine typische Erfolgskreation nicht schnöde kopiert werden darf. Die unter Kennern bekannte Brienzer Kuh-Position - um beim einleuchtenden Beispiel zu bleiben - wird moralisch geahndet, wenn sie als Abklatsch plötzlich im Oberammergauer Sortiment auftaucht.
Nichts dagegen tun kann man bei weniger charakteristischen Figuren: Tatenlos müssen die Brienzer zusehen, wenn ihre listigen Füchslein, die aus Baumrindenhöhlen lugen, oder andere drollige Jungtiere plötzlich im Konkurrenzsortiment auftauchen.
Einheimische Händler begründen den Zukauf von fremdländischem Kram mit der ungenügenden Produktionsmenge durch die ansässigen Schnitzkünstler. Seit 1977 ist der Bedarf erneut gestiegen, nach einem kurzen, aber markanten Rezessionsrückschlag. Ungefähr fünfzig vollamtliche Souvenirschnitzer und eine unbestimmte Zahl Heimarbeiter vermögen der Nachfrage nach inländisch Handgemachtem nicht Herr zu werden, auch wenn die zeitraubende schnitzerische Leistung erst an der maschinell vorbereiteten Grobform ansetzt.
Bestenfalls 2500 Franken
Wie man auch dieses Geschäft rationalisieren kann, hat die Werkstatt' Hans Huggler-Wyss gezeigt. Das Privatunternehmen, eine Gründung des «Schnitzlerkönigs» Johann Huggler, beschäftigt neben Heim-Malerinnen und Kleinschreinern fünfzehn „Schnätzer“, die mit 400 Katalogmodellen jährlich einen Millionenumsatz schaffen. Jeder Angestellte hat sich im eigenen Interesse auf eine bestimmte Figur spezialisiert, denn seine Kunst wird im Akkordlohn honoriert: Je schneller die Kerben richtig sitzen, um so eher stimmt auch die Kasse. Nur - wohlhabend können sie niemals werden, trotz aller Routine. Nach der vierjährigen, eidgenössisch anerkannten Lehrzeit lassen sich. monatlich vielleicht 1500 Franken, nach jahrelang eingeschliffenem Handgriff im besten Fall 2500 Franken aus dem weichen Lindenholz graben.
Die. magere Entlöhnung weckt bei möglichen Berufsbewerbern wenig Euphorie. Doch ist sie nicht der einzige Grund für die herrschenden Nachwuchsprobleme. Für die Ausbildung zur Souvenirfachkraft ohne Bildhauerambitionen existieren nur zwei Lehrplätze in der Werkstatt Huggler. Andere Lehrstellen gibt es nicht.
Jeden Frühling KindIimacher
Dem Brienzer Verkaufsleader wird denn auch der Vorwurf gemacht, dass er wohl den fehlenden Nachwuchs beklage, aber offenbar nicht gewillt sei, auch etwas dagegen zu tun. Denn nur wenn der Branche frisches Blut zugeführt wird, mit andern Worten ein gezieltes Ausbildungsprogramm aufgestellt wird. lässt sich wirkungsvoll gegen die schäbige Überflutung industriell gefertigten Massenkitsches vorgehen.
Als hinderlich für die berufliche Attraktion erweist sich auch die erprobte Krisenanfälligkeit des Gewerbes, welche manchem älteren Heimarbeiter seit den dreissiger Jahren als Schreckgespenst in den Gliedern sitzt. Das betuliche Dorf Hofstetten, damals weitgehend von Schnitzlern bewohnt, wandelte sich kurz nach dem weltwirtschaftlichen Zusammenbruch innert weniger Monate zur Arbeitslosensiedlung. Daher hat der Ruf, mit der Holzkunst eine «unsichere Existenz» in Kauf zu nehmen, die junge Generation nachhaltig beeinflusst.
Keinerlei Zeit dagegen vergeudet man mit Erwägungen über den künstlerischen Stellenwert der Produkte. Die Frage nach „Kunst“ oder «Kitsch» findet weder Zustimmung noch Widerspruch.
Ein Heimarbeiter, der kolonnenweise «Huttengrosis» bearbeitet und ausschliesslich für diese Erfolgsfigur zuständig ist, kommentiert das peinliche Thema emotionslos: Klar, da sei immer mehr Maschinelles dran, aber kein Stück sei zum Bearbeiten gleich wie das andere. Und überhaupt - soll es ihm einer zuerst vormachen, das Schnitzen.
Dagegen wird die Notwendigkeit künstlerischer Begabung um so heftiger betont, auch wenn sich der Schnitzlerdreh ins Gehirn eingegraben hat wie Fliessbandarbeit. Der invalide Spätberufene, der ganzjährig nur Schafe schnitzt, gilt als Ausnahme der alten Brienzer Regel: Wer's in der Jugend nicht lernt, lernt es nimmer.
Über den Spott allfälliger Miesmacher ist man im ganzen Dorf erhaben. Denn solange US- Touristen und Schweizer eigens für Handgemachtes carweise anreisen und die erstarrten Drolligkeiten und Abbilder bergbäuerlicher Knorrigkeit im Dutzend erstehen, macht man sich keine Sorgen, ob Kunst oder nicht.
Nur flüchtig bricht eine Spur Ironie durch die Sachlichkeit: Der Huggler-Angestellte, der jedes Frühjahr an die sechshundert winzige Jesusknaben zum Krippensammelsurium beisteuert, wird intern als «KindIimacher» bezeichnet. Darauf angesprochen, murmelt er oberländisch Unverständliches und schnitzt einem weiteren Holzsäugling das selige Lächeln ins Gesicht - im Akkord.“ Annemarie Droeven
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Nr. 113/1982
Zum Bildblatt mit Ansichten eines Werkes von Werner Schwyter, Altendorf, schreibt Josef Nauer:
"Von Werner Schwyter war vor einigen Jahren in einer Ausstellung in Schwyz eine Plastik ausgestellt. Erstaunlich ist, dass er keine Lehre gemacht hat; zwar habe ich ihn im Schnitzen etwas eingeführt. Manchmal schnitzt er oder haut Stein für mich, etwa Grabzeichen. Die Skulptur ist mit den zwei gegensätzlichen Schnitten - erhaben (konvex) und hohl (konkav) desselben Schnitzeisens saubergeschnitzt (nicht geraspelt und geschliffen), dem Wuchs des zwei Meter hohen Birnbaumstammes mit seinen Rissen folgend - eigen, selbständig und allein gestaltet. Die Arbeit wird später im Spital in Luzern aufgestellt werden . "
Und JS krittelte dazu: „Eine grosse Holzskulptur, kraftvoll und formsicher herausgehauen; das Produkt - prosaisch gesehen - von viel Schweiss und Fleiss, abgesehen von der glücklichen Inspiration, die am Anfang gestanden haben muss.
Und doch quält man sich beim Anblick dieser und zahlloser ähnlicher Arbeiten mit der Frage nach der Botschaft, nach dem tiefern Sinn der Übung. Alle diese "abstrakten" Werke einfach als dekorative Kunst, sozusagen als vollplastisches Ornament zu bezeichnen, würde wohl den von den Künstlern selber gestellten Ansprüchen kaum genügen?
Was bedeutet es aber dann?
Ist es einfach ein Signal, vielleicht: „Ein Mensch hat mich Holz bewusst geformt, also bist Du nicht allein“, hier als ruhige (buchstäblich) "Fest-Stellung" , bei manchen andern Künstlern als Notschrei, wenn nicht geradezu als Herauskotzen zu verstehen?
Wenn ja, ist dann diese Art des Kunstschaffens nicht eher im Bereich der Psychotherapie anzusiedeln? Therapie für wen, den Künstler oder für den Betrachter, oder für beide? Wo liegen dann überhaupt die Grenzen zwischen Psychotherapie und Kunstschaffen? oder gibt es diese Grenze nicht?
Was ist dann überhaupt Kunst?
Zu Nietzsches Zeiten war das noch einfacher, sagte dieser (oder war es Max Liebermann?) doch schlagend:
„Kunst kommt von Können. Käme sie vom Wollen, würde sie Wulst heissen.“
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Nr. 115 / Sept. 1982
Unter dem Titel
Es war einmal......
schrieb Werner Dort Adliswil:
Aus meiner langen Laufbahn als Holzbildhauer (60 Jahre ...) erinnere ich mich an kleine, ergötzliche Episoden. Mein Lehrmeister in Zürich, A. Stalder selig, gab sich stets sehr viel Mühe, seine Werke selber zu fotografieren, und zwar mit einer Balgkamera mit Riesenvolumen, mit Deckelverschluss vorne. Einmal gab es eine Porträtbüste des Zürcher Stadtpräsidenten Emil Klöti aufzunehmen, die da in Ton als Modell für Bronze fein säuberlich vollendet worden war.
Der Eingang zur Werkstatt im ersten Stock ging über eine Holztreppe ausserhalb des Hauses, und ein grösseres Podium war vor der Eingangstür. Dank dem handbreiten Holzgeländer und dem guten Lichte also für Fotoarbeiten bestens geeignet. Meister Stalder, hinter der Kiste, ein schwarzes Tuch über dem Kopfe, stellte auf der Mattscheibe die Entfernung ein und kommandierte mir, wie ich den Lehmkopf zu drehen hätte: mehr nach aussen, und etwas nach rechts abdrehen, und promt führte ich den Befehl durch. Wieder ein Spürchen nach links zurück und noch etwas nach aussen, klang es unter dem Tuch hervor, und wieder korrigierte ich. Noch ein bisschen mehr nach aussen - gut - , so jetzt die Hände weg, und schon hob der Meister den Verschluss. Oh Schreck, ganz langsam erst, dann immer schneller kippte das Modell, das ich vergeblich zu halten versuchte, vom Geländer in die Tiefe. Zuerst unheimliche Stille, dann schallendes Gelächter und zwar nicht nur meinerseits.....
Neben feinsten Arbeiten vom romanischen bis zum Jugendstil florierten damals auch impressionistische und expressionistische Möbelverzierungen. Diese zu entwerfen war sehr anregend und amüsant. Ganz genau ausgesägt wurden diese Aufleimer wegen ihrer geringen Dicke auf die meist sehr kostbar furnierten Füllungen geleimt und mein Lehrmeister wurde nicht müde, mir einzuschärfen, dass der Furnier unter keinen Umständen verletzt werden dürfe, drohte mir sogar, mich umzubringen (!). Als es dann doch einmal geschah, erfüllte ein schauerliches Wehgeschrei die Werkstatt, glaubte ich doch, mein Leben verwirkt zu haben. Augenblicklich stand Meister Stalder neben mir und fauchte mich mit zorngerötetem Gesicht an: „Was sagst du jetzt??" Ich kann mir tatsächlich nicht erklären, woher ich die goldige Eingebung hatte, trocken zu erwidern: "Ein guter Bildhauer kommt überall durch:" Nach spannungsgeladener Pause zeigte ein Gelächter an, dass mein Leben gerettet war.....
Für das Stadttheater Zürich musste eine überlebensgrosse Bismark-Büste angefertigt werden - eine Auftragsarbeit in Gips, die dann mit Bronze so täuschend behandelt wurde, dass jedermann glaubte, es handle sich um einen Bronzeguss. An den leitenden Stellen des Theaters waren generell alles Deutsche, und als die Büste samt Postament abgeholt wurde, rief einer der Direktoren aus: "Ja, was dieser Mann im Kopfe hatte, hat ganz Europa modelliert!“ Vorlaut erwiderte ich, das könne man von diesem da nicht sagen: innen nix und aussen Gips; was mir für die damalige Zeit ein Wundertrinkgeld von fünf Franken eintrug.
Mit was für einer Inbrunst ich meine erste Liebe, zuerst in Flachrelief, dann in Vollplastik geschaffen hatte!!! Der Lehrmeister glaubte, dass unser Geselle diese Werke ausgeführt hätte und ermunterte mich sachte, auch einmal etwas in dieser Sparte zu probieren. Als ich ihm dann gestand, dass dies meine Arbeit sei, fing er mich zu tadeln an, ob ich mich denn nicht schäme, soweit zu gehen. Doch ich beruhigte ihn ehrlich: "Bis zum Nabel ist alles echt; das Untere musste ich zwangsläufig erfinden:"....
Als ich nach fünf Wanderjahren, die mich auch nach Paris führten, wieder einmal bei meinem Lehrmeister arbeitete, war gerade ein überaus reicher Louis XV-Salon: Tisch, Stühle, Hocker, Chaiselongue, Vitrine, Bücherschrank und Kredenz auszuführen. Mit nicht geringem Stolz wollte ich meinem Meister zeigen, was für Kenntnisse ich mir in Paris angeeignet hätte. Tief und frech mit markanten Schwüngen, mit gerissenen Zufallsschnitten waren die Blumen, Muscheln und Akanthusranken geschnitzt, und voller Hochachtung lobte mein Meister meine Leistung. Anders aber der Kunde: "Das kann ich nicht brauchen, das ist keine Schweizer-Typen-Arbeit:" --- "Da streiten sich die Leut herum", so heisst das alte Hobellied des Valentin, und ebenso stritt sich die Kommission wegen dem Wandschmuck im Schreinerhaus auf dem Bürgenstock, denn just dieses Thema - Hobellied - war mir dafür aufgetragen. Dem "Fachsimpeldirektor", ein Vorstandsmitglied des Schweizerischen Schreinermeisterverbandes, war meine Darstellung zu wirklichkeitsbezogen, wo Valentin seinen Hobel hebt und sichtbar zu singen scheint, doch alle übrigen Vorstandskollegen stimmten für meine Auffassung. In aller Heimlichkeit verschaffte mir der damalige Geschäftsleiter des Verbandes einige Fotos vom Opponenten. Noch heute freue ich mich jedesmal, wenn ich mich erinnere wie das Wandbild enthüllt wurde und sich der Projektgegner als Valentin erkennen musste.
Ja, wir haben ein wunderschönes Handwerk - mit Freude etwas zu gestalten, das andern lebenslange Freude machen wird!
Werner Dort
Montagnachmittag, 30. Aug. 82 trafen sich in der Schnitzlerschule Brienz Vertreter des BOH, der Schnitzlerschule und des VSHB mit den Herren Keller, Gramm und Gut von der Eidg. Steuerverwaltung, wegen der WARENUMSATZSTEUER; begreiflicherweise macht nämlich der Artikel über die Befreiung der Kunstmaler und Bildhauer .für die von ihnen persönlich geschaffenen Werke von der WuSt den Beamten einiges Kopfzerbrechen: sie sollen jetzt quasi von Amtes wegen festnageln, was Kunst ist und was nicht - was bisher auch den grössten Gelehrten noch nicht gelungen ist!
Das bisher noch unverbindliche Ergebnis der Gespräche zielt in die Richtung, dass die Holzbildhauerbetriebe wie bisher grundsätzlich warenumsatzsteuerpflichtig bleiben, falls sie die Voraussetzungen dazu erfüllen. Jedoch sollen in diesen Betrieben hergestellte, eindeutig als Kunstwerk zu qualifizierende Werke von der Steuer befreit bleiben.
Als Kriterium zum Beurteilen der Werke wurde vorgeschlagen: als Kunstwerk im Sinne der WuSt soll gelten, was als Einzelstück oder in einer Kleinserie von höchstens 10 Stück nach eigenem Entwurf hergestellt und signiert ist. Zur ev. späteren Beurteilung und Kontrolle durch die Steuerbehörde sind dazu die Unterlagen wie Zeichnungen, Fotos, ev. Modelle aufzubewahren.
(Im Nachhinein stelle ich fest, dass dann die Holzbildhauer in der Praxis ganz einfach genau gleich behandelt wurden wie alle andern Produzenten:
Steuer auf Alles entrichten. Wer hätte im Ernst etwas anderes erwartet?)
Auszüge aus den Nummern ab 116 - später als 1982 –
werden gelegentlich nachgeliefert.
Steinen, 27. Juni 2009
Josef Schibig
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